aber alles besser wusste!
Ich bin ehrlich, bevor ich F hatte, dachte ich, den Alltag mit Kindern zu bewältigen, sei eine reine Organisationsfrage. Heute weiss ich, fast alles was ich damals geglaubt habe, ist vollkommener Blödsinn. Wie wohl so viele andere Menschen auch, die keine Kinder haben, war ich sicher, dass ich, würde ich Kinder haben, mit einem gut strukturierten Tagesablauf und einer optimierten Organisation eine perfekt laufende Familienmaschine ohne Probleme durchtakten könnte. Ich belächelte meine Geschwister und Freunde, die gestresst waren, wenn ihre Kinder nicht schlafen wollten, beim Essen nicht das aßen, was alle anderen auf dem Teller hatten, im Restaurant Krawall schlugen oder sich strikt weigerten ihre Jacke anzuziehen. Das läuft bei mir mal anders, dachte ich mir dann. Ich werde klare Regeln einführen, den Tag gut durchorganisieren und feste Strukturen einführen. Kinder brauchen einfach nur klare Regeln, dann läuft alles andere von selbst!
Heute weiß ich, was ich doch für eine naive, unwissende Idiotin war! Kinder sind keine Maschinen oder Haustiere, die man dressieren kann! Ein Kind ist der unberechenbarste Faktor im Tag seiner Eltern. Kinder sind denkende und fühlende Wesen, mit eigenen, sich ständig verändernden Bedürfnissen. Ziemlich schnell entwickeln sie zu dem einen eigenen Willen, der sich oft genug stark von dem ihrer Eltern unterscheidet. Kinder sehen die Welt, wie das Lied so schön sagt, mit anderen Augen, sie entdecken und erleben ununterbrochen Neues und Aufregendes. Nicht zuletzt deshalb unterscheidet sich ihr Zeitgefühl diametral von dem eines Erwachsenen. Sie lassen sich von ihrer Umgebung ablenken und beeinflussen, sind dabei absolut emotionsgesteuert und daher oft unzugänglich für vernunftbegründete Argumente. All das musste ich schnell lernen, als F ein Teil unseres Lebens wurde. Heute bin auch ich oft unpünktlich. Immer dann wenn ich glaube alles perfekt organisiert zu haben, läuft alles anders als gedacht. Und ja, es macht mich auch nach 2,5 Jahren noch wahnsinnig, dass wir regelmäßig eine gefühlte Ewigkeit brauchen, um uns morgens anzuziehen (ich sage hier bewusst uns, denn auch ich brauche durch ständige Unterbrechungen meiner Routine inzwischen nicht selten doppelt so lange). Wenn wir das Haus verlassen wollen, kalkuliere ich bis heute zu wenig Zeit ein, immer in der Hoffnung, dass einfach mal alles reibungslos verläuft…. das klappt vielleicht einmal von fünf Versuchen. Mein Kind isst ebenfalls nicht alles, was ich ihm auftische. Weil ich aber oft auch einfach meine Ruhe beim Abendessen haben will und zudem weiss dass das Kind mit vollem Magen besser schläft, mache ich ihm nicht selten ein belegtes Brot, anstatt ihn nörgelnd vor seinem Teller sitzen zu lassen. Total inkonsequent, ich weiss. Andererseites denke ich mir, wenn ich keine Lust auf das Essen, das mir vorgesetzt wird, hätte, würde ich mir auch ein Brot schmieren. Warum erwarten wir und vor allem unsere Umwelt, eigentlich immer, dass Kinder vollkommen nach der Pfeiffe ihrer Erziehungspersonen tanzen und zwar ununterbrochen und oft genug völlig außer acht lassend, wie die Laune des Kindes, seine Bedürfnisse oder auch gewisse Begleitumstände sind? Kinder sollen funktionieren. Funktionieren wir denn immer? Und tut es uns wirklich gut, immer zu funktionieren?
das Schlafen ist auch so ein Thema
Ich muss leider gestehen, dass ich auch zu den Besserwissern gehört habe, die dachten, wenn man ein Kind immer zur gleichen Uhrzeit hinlegt und ihm pünktliche Schlafenszeiten beibringt, schläft es auch gut. Und glaubt mir, ich habe es verzweifelt versucht, mein Kind liess sich nicht „eintackten“. Schlaf ist für mich unglaublich wichtig. Ich funktioniere unter Schlafmangel nicht wirklich gut, mein Hirn läuft nur noch auf Notstrom. Meine acht Stunden waren mir früher heilig. Ich schreibe hier bewusst früher! Denn seit 2,5 Jahren schlafe ich nur noch selten 8 Stunden und noch seltener 8 Stunden am Stück. Ich habe Schlafbuch um Schlafbuch gewälzt, Tipps von Freunden und Verwandten ausprobiert und mich immer mehr in das Thema reingesteigert. Als F 6 Monate alt war, fragte unsere Nachbarin mit hochgezogenen Augenbrauen, ob er immer noch so schlecht schlafe. Ihre Kinder hätten von Anfang an von 20.00 Uhr bis 7.00 Uhr morgens durchgeschlafen (ich frage mich bis heute, ob das bei Babys überhaupt möglich ist, ohne dass sie verhungern…). Sie suggerierte mir damit, dass ich irgendetwas falsch machte. Statt mich selbstbewusst zur Wehr zu setzen, erfand ich von da an Ausrede um Ausrede, wenn ich sie traf und meine Augen, durch den anhaltenden Schlafmangel, in immer tieferen Höhlen versanken. Das Kind hat Schnupfen, das Kind zahnt, mein Mann schnarcht so laut… Die Tipps und das Augenbrauenhochziehen verlagerten sich dadurch natürlich nur auf die „angegriffene Gesundheit meines übersensiblen Babys“. Irgenwann dachte ich verzweifelt, alle Kindern schlafen gut, bis auf meines. Ja, ich weiss, ich hätte mich nicht so stressen lassen sollen! heute kann ich rückblickend auch sagen, dass der Kleine sicherlich auch besser geschlafen hätte, wenn ich nicht so angespannt gewesen wäre. Der Schlafmangel und mein latenter Hang zum Perfektionismus haben das aber leider unmöglich gemacht.
Nie schlecht über die Erziehung anderer Denken!
Ich habe mir jedenfalls strengstens vorgenommen mich nicht mehr in die Erziehung anderer einzumischen, nie Methoden anderer in Frage zu stellen und vor allem nie zu denken, mein Kind macht das nicht, weil… das rächt sich immer! Ich kann nie ausschliessen, dass mein Sohn irgendwelche Marotten entwickelt oder sich von anderen abschaut. Heute bilde ich mir nicht mehr ein, durch meine tollen, erzieherischen Maßnahmen Trotzphasen und Wutausbrüche verhindern zu können. Ich nehme was kommt und versuche in der jeweiligen Situation nach besten Wissen und Gewissen damit umzugehen. Dabei konzentriere ich mich auf uns, was andere machen, aber auch, was andere denken, kann mir egal sein. Damit fahre ich hoffentlich stressfreier als bisher… für alle Beteiligten!