Warum Elternzeit noch lange nicht Gleichberechtigung heißt
„Sei doch mal dankbar, dass sich schon so viel getan hat.“ war die Aussage eines Freundes bezüglich Gleichberechtigung in der Elternzeit. „ Vor 15 Jahren hat noch kein Mann Elternzeit genommen und jetzt nehmen fast alle ein bis zwei Monate. Das ist doch ein riesiger Schritt.“ Ich frage mich jetzt im Nachhinein, was ein Mann sagen würde, wenn ihm sein Vorgesetzter nachdem er bei einer Beförderung oder Gehaltserhöhung übergangen wurde, sagen würde: „Seien Sie doch dankbar, dass wir Sie eingestellt haben. Das war schon ein großer Schritt für Sie. Über ein besseres Gehalt können wir dann in der Generation nach Ihnen wieder reden.“ Ist das gerecht? Nein! Aber so fühlt sich Benachteiligung und Diskriminierung an.
Elternzeit – Karriereaus?
Mein eigener Mann, der bei unserem ersten Kind noch 7 Monate Elternzeit genommen hat, meinte neulich in seinem neuen Job sei das bei einem weiteren Kind aber vermutlich nicht mehr möglich. Er ist dann zwar nachdenklich geworden, als ich dann fragte, ob das bedeuten würde, dieser Job könne nur mit Männern oder kinderlosen Frauen besetzt werden? Aber vermutlich wird er sich trotzdem nicht gegen seinen Chef durchsetzen, wenn es dann so weit sein sollte. Die Angst dass der ihn für die genommene Elternzeit in irgendeiner Art und Weise abstrafen würde, wäre zu groß. Solange Männer nicht genauso selbstverständlich Elternzeit nehmen, wie Frauen, wird sich in diesem Land auch nichts ändern. Wir werden die festgefahrene Meinung in den Köpfen der Führungsetagen nur ändern, wenn klar ist dass Elternzeit immer eingeplant werden muss, egal welches Geschlecht ein Mitarbeiter hat. Und ich rede hier eben nicht nur von einigen Wochen! 14 Monate stehen einem als Paar zu, das sollte gerecht geteilt werden! Und es funktioniert in fast jedem Beruf. Ich weigere mich zu akzeptieren, dass wir Frauen konsequent schlechter gestellt werden. Was die Betreuung unserer Kinder angeht. Ich sehe Freundinnen, die vor ihrem ersten Kind bereits in einer Führungsposition waren und zwar auf der gleichen Ebene, wie ihr Partner. Heute, drei Kinder später, ist es fraglich, ob sie es schaffen werden wieder Teilzeit zu arbeiten. Weil ihr Mann inzwischen weiter die Karriereleiter hochgestiegen ist, war die Diskussion ob man die Elternzeit teilt ab Kind zwei schon aus finanzieller Sicht schwieriger. Beim dritten Kind wurde das Thema nicht mal mehr angesprochen. Meine Freundin meinte neulich nur trocken: „Ich kann nur hoffen, dass er sich wenigstens nicht irgendwann eine andere Frau sucht, denn meine finanzielle Zukunft alleine wäre ein Desaster. In den alten Job käme ich nicht mehr rein und mein Rentenbescheid ist dementsprechend ein Witz…“
Aber Ende ist es oft wie bei unseren Eltern…
Dieses Szenario ist bei einer Freundin eingetreten. Wobei sie nur zwei Kinder hat, aber mit ihrem Mann einige Jahre im Ausland war. Sie war im Leadership-Trainee-Programm einer großen Firma. Die steile Karriere war praktisch vorprogrammiert. Als sich eine Karrierechance für ihrem Mann im Ausland aufgetan hat, hatten sie erst überlegt, dass er alleine geht und sie eine Fernbeziehung testen. Die Schwangerschaft hat diese Entscheidung dann vom Tisch gewischt. Sie ist mitgegangen. Am Ende für 6 Jahre. Nach 3 Jahren hat sie das zweite Kind bekommen. Als sie zurückgekommen ist, war ihr Job weg, einer neuer nicht in Sicht. Sie wollte dann erstmal ankommen. Ihnen allen die Zeit geben sich hier wieder einzuleben und dann nach einem neuen Job schauen. Nach etwas Neuem hat sich wohl vor allem ihr Mann umgeschaut. Eines Tages als sie vom Einkaufen zurückkam, stand er mit gepackten Kisten an der Türe und kam nie wieder zurück. Ich will hier gar nicht auf die emotionalen Abgründe eingehen, die sich mit dieser Trennung für meine Freundin und die Kinder aufgetan haben, sondern nur berichten, wie schwer es ihr gefallen ist als alleinerziehgende Mutter, die über sechs Jahre nicht gearbeitet hatte, einen Job zu finden. Die Frau von der wir alle dachten, sie werde mal ein Dax-Unternehmen leiten, arbeitet jetzt Teilzeit auf einer Sachbearbeiterposition. Die war schwierig genug zu bekommen! Wenn sie in den Bewerbungsgesprächen gesagt hat, dass sie Alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern ist, hat sie oft genug realisiert, dass sie diesen Job wohl nicht bekommen würde. Es hat fast ein Jahr gedauert bis sie eine Zusage bekam. Für einen Job, der sie geistig und professionell unterfordert, den sie aber machen muss, weil sie nichts anderes bekommen hat. Warum? Weil sie zu lange nicht gearbeite hat und jetzt zwei Kinder zu Hause hat, die sie alleine erzieht. Was bleibt ihr denn anderes übrig, eine Wahl hatte sie nicht wirklich. Aber hey, ich kann ihr ja sagen, dass sie doch mal ein bisschen dankbar sein soll, wieviel sich schon getan hat.